Woraus resultiert die Komplexität im Infrastrukturbereich?

Die deutsche Infrastruktur hat einen dringenden Sanierungsbedarf. Auch die angestrebte Klimaneutralität – verbunden mit der Reduktion der im Jahr 2024 noch ausgestoßenen 649 Millionen Tonnen CO₂ – lässt sich nur durch substanzielle Investitionen in moderne und nachhaltige Infrastrukturen realisieren.

Doch warum sind Infrastrukturprojekte in Deutschland nach wie vor rar? Die Ursachen liegen primär in der hohen Komplexität des Infrastruktursektors. Diese Komplexität resultiert im Kern aus den berechtigten Interessen einer Vielzahl von Stakeholdern, die in Planung, Bau und Betrieb eingebunden sind.

Infrastruktur muss vielfältigen Anforderungen gerecht werden:

• Funktionsfähigkeit: Das Leistungsversprechen von Infrastruktur ist weitreichend. Sie stellt die grundlegenden Dienste und Einrichtungen bereit, die eine Gesellschaft benötigt – etwa den Transport von Menschen und Gütern, die Versorgung mit Energie und Wasser, Kommunikationsnetze sowie die Unterstützung sozialer Bereiche wie Bildung und Gesundheitswesen. Infrastruktur ist Grundlage für wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität.

• Bezahlbarkeit: Infrastruktur muss für alle Nutzergruppen – Bürger, Unternehmen und öffentliche Hand – finanziell tragbar sein.

• Finanzierbarkeit: Private Investoren engagieren sich nur bei wirtschaftlich rentablen Projekten. Aufgrund der hohen Investitionsvolumina kann auch eine staatliche (Co-)Finanzierung bestehende Wirtschaftlichkeits- und Finanzierungslücken nur begrenzt ausgleichen.

• Nachhaltigkeit: Infrastruktur leistet einen zentralen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, insbesondere in den Sektoren Energie und Verkehr. Auch die soziale Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil ihres Leistungsversprechens.

Diese vier Dimensionen – Funktionsfähigkeit, Bezahlbarkeit, Finanzierbarkeit und Nachhaltigkeit – sind gleichermaßen unverzichtbar. Ohne gesicherte Finanzierbarkeit kann Infrastruktur weder errichtet noch betrieben werden. Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit sind essenziell für langfristige Wirksamkeit und gesellschaftliche Akzeptanz.

Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die die Komplexität erhöhen:

• Erneuerungszyklen: In Bereichen wie Telekommunikation und Teilen des Verkehrssektors erfordert der technische Fortschritt kontinuierliche Modernisierungen. Diese stehen häufig im Spannungsverhältnis zu Bezahlbarkeit und Finanzierbarkeit, da kurzfristige Innovationszyklen mit hohen Kosten verbunden sind und sich nur bei entsprechend hohem Nutzen rechtfertigen lassen.

• Transformationsdruck im Energiesektor: Die Zielpfade zur Erreichung der Klimaziele definieren den notwendigen Umbau der Energieinfrastruktur. Sowohl die Zielpfade als auch deren Umsetzung sind Gegenstand kontroverser gesellschaftlicher Debatten.

• Sektorale Kopplung: Verkehr, Strom, Wärme und Telekommunikation sind zunehmend miteinander vernetzt. Eine isolierte Planung einzelner Sektoren greift zu kurz; sektorübergreifende Ansätze sind erforderlich.

Ein fundiertes Verständnis dieser strukturellen und dynamischen Komplexitäten ist unerlässlich, um tragfähige Lösungen für die aktuellen Herausforderungen zu entwickeln. Die institutionellen Rahmenbedingungen und politischen Prozesse zur Zieldefinition und Umsetzung von Infrastrukturprojekten sind vielfältig und werden in einem separaten Beitrag behandelt.